Ich hatte nur eine Frage an Prof. Olivier Ameisen …

ameisen_autor5… und hier ist die Antwort:“die Dosierung ist komplett egal und individuell, du musst einfach nur DEINE Dosierung finden. Einige erreichen das Ziel mit niedriger Dosierung, andere müssen bis zu 400mg gehen, egal, es gibt keine generelle Dosierungsanleitung.“ Ach so ja, die Frage war: „warum dosiert man in Frankreich so hoch, wir dagegen haben in Deutschland sehr gute Erfolge mit 55mg im Mittelwert?“

Die Autoren-Lesung in Ravensburg/Bodensee, war die erste Lesung mit Olivier Ameisen (in Deutschland) seit das Buch erschienen ist. Ungefähr 80 Leute drängten sich in der Buchhandlung Ravensbuch, darunter alleine 2 Neurologen und 2 Allgemeinärzte. Olivier traf ich bereits im Zug und wir vereinbarten nach der Lesung ein gemeinsames Abendessen. Nach der Lesung kam eine angeregte Diskussion in Gang und ich hatte die Gelegenheit das Forum kurz vorzustellen. Alle Fragen waren durchaus intelligent, bis auf eine, ausgerechnet von einem Neurologen. Er meinte tatsächlich Baclofen würde wohl bei einem „Ausnahmealkoholiker“ wie Ameisen aber doch nicht bei einem gewöhnlichen Spiegeltrinker wirksam sein können. Oliver antwortete trotzdem ganz cool und meinte nur er wäre keine Ausnahme sondern die Regel, Baclofen würde bei allen Alkoholikern wirken.

Während Olivier seinen Autorenpflichten nachkam (signieren), bestürmten mich einige Teilnehmer mit Fragen und wollten Kontakt-Adressen von mir. Leider fiel das Abendessen dann deswegen aus und wir trafen uns erst zum Frühstück wieder, zufällig wohnten wir im selben Hotel. Wir unterhielten uns sehr angeregt und vereinbarten in Zukunft eine engere Kommunikation.

Die Forenarbeit hält er übrigens für überaus wichtig, er sagte sinngemäß: Baclofen wird sich weiter von unten durchsetzen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Entzugs- und Therapieeinrichtungen vor leeren Betten stehen werden. Es werden sicher neue Medikamente auf der gabaergen Basis auf den Markt gebracht, das wird aber dauern und bis dahin wird Baclofen seinen festen Platz in der Suchtarbeit haben. Psychotherapie ist sehr wichtig, mit Hilfe von Baclofen oftmals erst dann wirklich sinnvoll und effektiv. Wie wir auch, meinte Olivier mit Baclofen gäbe es keinen Rückfall. Er findet aber unsere Bezeichnung Vorfall auch nicht hilfreich, es ist vielmehr nicht der Rede wert, da die Grundlage all dieser Vor/Rückfälle – die Angst davor, Dank Baclofen – entfällt.

Für mich persönlich war es ein eindrucksvolles Erlebnis, diesen großartigen Mann kennen lernen zu dürfen. Leider können nur wir, die wir die Sucht selbst erlebt haben ermessen, was für eine herausragende „Humanitäre Leistung“ Prof. Olivier Ameisen vollbracht hat. Meines Wissens hat vor ihm noch nie ein Mediziner den Mut aufgebracht, seine eigene Suchtgeschichte öffentlich zu machen. Die einzige Motivation: Millionen von suchtkranken Menschen wieder ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.

Vielen Dank Olivier Ameisen

Eine Frage der Reinheit …

Wallace

David Foster Wallace

mit der Frage wie eigentlich Sucht definiert wird, habe ich mich schon sehr lange Zeit beschäftigt. Zu Anfang dachte ich Sucht kommt von Suchen. Mit erhobenem Zeigefinger erklärte mir ein ganz schlauer Therapeut eines Tages, es käme von Siech und bedeute Krankheit, also Siechtum.

Seit ich Baclofen nehme, habe ich zu diesem Thema ganz neue Zugänge und komme ständig zu neuen Erkenntnissen. Ausserdem bleibe ich neuerdings bei Themen hängen die eigentlich mit diesem Thema nicht viel zu tun haben, dachte ich jedenfalls. Ist das eine Nebenwirkung von Baclofen?

So las ich gestern im Spiegel (Ausgabe4/2010) einen Artikel mit dem Titel „Freiheit ist ein verkrüppelter Begriff.“
In dem Artikel geht es u. a. um das realistische Erzählen als eine Form des Widerstands. Zwei amerikanische Schriftsteller, Jonathan Franzen und Adam Haslett werden von Spiegel-Redakteuren zum Thema befragt. Über diesen Auszug bin ich förmlich gestolpert:

Spiegel: David Wallace hat sich 2008 umgebracht. Ist Schreiben lebensgefährlich? Wallace sah sich offenbar vor die Alternative gestellt, Antidepressiva zu nehmen oder produktiv zu bleiben. Er hat sich fürs Schreiben entschieden.

Franzen: Es war ein bisschen komplizierter. Seit seiner Teenagerzeit war er drogenabhängig, er war ein schlechter Patient. Und dann hat er mehr und mehr nach absoluter Reinheit gesucht., er wollte der abstinente Alkoholiker schlechthin sein. Ich sagte ihm, dass es wahnsinnig sei, ohne alles auszukommen, doch er wollte Rein bleiben, und natürlich gibt es keine höhere Form der Reinheit als den Tod.

Peng, das haute mich um. Dieser Satz, … und natürlich gibt es keine höhere Form der Reinheit als den Tod, beschäftigte mich den ganzen Tag. Und über Sucht, Angst, Baclofen, GABA, Dopamin entstand der Gedanke: wenn die Angst per se überlebensnotwendig ist, kann sie dennoch fehlgeleitet werden, zum Tod führen, wie z. B. durch die Komorbität mit Drogenabhängigkeit.

Baclofen nimmt mir die Angst und macht Alkohol überflüssig. Abhängigkeit scheint mir ebenfalls lebensnotwendig zu sein. Das fängt schon am ersten Tag des Lebens an, die erste Abhängigkeit ist die zur Mutter. Kein Tier ist derart unselbständig und damit abhängiger, als der Homo Sapiens und das auch noch einige Jahre lang. Kaum abgenabelt, erlernt Mensch neue Abhängigkeiten und löst sich dann wieder um scheinbar unabhängig zu werden. In meinem Leben lief da irgendetwas falsch, ich blieb irgendwie in der Abhängigkeitsfalle hängen. Ursprünglich lebensnotwendige, im Reptiliengehirn seit Jahrmillionen abgespeicherte Überlebensstrategien haben sich gegen mich gewandt und mich fast das Leben gekostet. 

David Wallace hat offensichtlich nie etwas von Olivier Ameisen oder Baclofen gehört geschweige denn gelesen und so verpasste er die letzte Ausfahrt. Vielleicht hätte er mit Baclofen den Irrweg „der absoluten Reinheit“ verlassen können, sich ab und an etwas Unreinheit erlauben können. Lieber nicht ganz so rein

Zusammenfassung der 2. Umfrage-Ergebnisse

Auswmini


1.
Baclofen bei Alkoholabhängigkeit

1.1 Die zur Erreichung des Ziels Abstinenz oder Moderates Trinken notwendige Dosierung liegt mit ca. 60 mg pro Tag deutlich unter den von O. Ameisen genannten Werten von 1-5 mg pro Kg Körpergewicht.

1.2 Baclofen eignet sich in gleicher Weise für eine Erhaltung der Abstinenz und des Zustands eines Moderaten Trinken. Beim Moderaten Trinken ist das Craving und das Interesse an Alkohol jedoch deutlich vorhanden, wenn auch in einer abgeschwächten Form im Vergleich zur Situation ohne Baclofen.

1.3 Baclofen wird in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit stetig bis zu einer individuell zu bestimmenden Dauerdosierung gesteigert. In dieser Form der Anwendung sind die Nebenwirkungen als leicht zusammenzufassen. Die Dauerdosierung scheint nicht durch die Schwere der Alkoholabhängigkeit bestimmt.

Ein Hochdosieren von Baclofen zur Erreichung der Abstinenz auf Tagesdosen von mehr als 200 mg mit einer Runterdosierung auf eine Erhaltungsdosis wie von O. Ameisen empfohlen, beruht auf einer Einzelerfahrung und widerspricht unseren Ergebnissen.

1.4 Dosierungen oberhalb von 100 mg pro Tag mit gleichzeitigem Alkoholkonsum können erhebliche Nebenwirkungen verursachen. In noch größerem Maße gilt das für Dosierungssprünge von mehr als 50 mg oder mehr pro Tag . Sprach- und Konzentrationsstörungen oder ein kompletter Kontrollverlust wird berichtet.

2. Baclofen bewirkt eine vollständige Beseitigung bzw. eine deutliche Reduzierung von Angst und Depressionen; die Wirkung verstärkt sich mit der Dosierungsdauer.

3. In der Reduktion des Zigarettenkonsums ist eine positive Wirkung deutlich, wenn auch bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei Angst und Depressionen und in der Alkoholabhängigkeit.

4. Die wesentliche positive Wirkung von Baclofen ist die gesteigerte Motivation und der Elan.