Stigmatisierung alkoholkranker Menschen in den Medien

In dem Moment, als sie vor unserer Kamera darüber sprach, was sie ihrem Mann und ihrem Sohn zugemutet hat, begann sie zu weinen …
Sie ist eine öffentliche Person, die öffentlich abgestürzt ist …
Jenny schämt sich. Sie hat sich, ihren Sohn Paul (11) und ihren Mann lange belogen. 34 Flaschen hatte Goetz bei ihrer Einlieferung in die Entzugsklinik im Haus gefunden …
Ich habe Angst vor einem Rückfall. Viel Angst.“ …
Wie leidet diese Ehe? Wie sehr zerstört der Alkohol die Liebe? …
Wenn du einmal betrogen wurdest – und da ähneln sich Suff und Fremdgehen – verlierst du dein Vertrauen …

Jede chronische Krankheit erfordert vom Partner und dem sozialen Umfeld ein hohes Maß an Toleranz und Verständnis – auch die Alkoholabhängigkeit.

Schuldzuweisungen sind in der Behandlung von Krankheiten unangebracht und kontraproduktiv. Sie bedienen ein mittelalterliches Krankheitsverständnis und führen zu weiterer Stigmatisierung suchtkranker Menschen. Schuld und Scham sind Teil des Krankheitsbildes, Angst und Depressionen oft ihre Ursache. Bei einem achtfach erhöhten Suizidrisiko des alkoholkranken Patienten (gegenüber der Durchschnittsbevölkerung) ein tödlicher Kreislauf.

Was wird diesen Menschen zugemutet, sollte es zu einem Rückfall kommen?

 

Liebe Journalisten,

bitte denkt bei Eurer Arbeit an die vielen kranken Menschen und ihre Angehörigen. Nehmt die Kommentare auf Euren Online-Seiten ernst und lest was Ihr anrichtet. Ihr fördert ein dumpfes Stammtischverständnis vom willensschwachen Trinker, moralisch verkommen, ausgestoßene Randerscheinung unserer Gesellschaft.
Bitte werdet Euch Eurer Verantwortung als Meinungsbildner bewusst und akzeptiert endlich, dass Alkoholismus eine Krankheit ist und dass  N I E M A N D sich im Jahre 2013 seiner Krankheit schämen muss.

Es ist mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen seit der Festschreibung der WHO: Alkoholismus ist eine Krankheit.

Die Entwicklung in der Medizin schreitet voran. 1847 wurde Ignaz Semmelweis von seinen Kollegen für verrückt erklärt als er nachwies, dass die Kindbettsterblichkeit signifikant zurückgeht, wenn Ärzte sich die Hände waschen bevor sie Patienten berühren. Penicillin, Insulin, Propranolol, Herzschrittmacher, Organverpflanzungen sind heute selbstverständlich. Was gestern noch unmöglich schien, ist heute Standard. Nur Alkoholismus gilt bis heute als unheilbar und der Patient ist auch noch selbst schuld daran.

Wäre es nicht an der Zeit, über den Stand der Dinge im Jahr 2013 zu berichten? Nüchtern Hoffnung verbreiten anstatt sie trocken auszuschließen? Hoffnungslosigkeit gibt es bei keiner anderen Krankheit, ansonsten wäre Forschung überflüssig.

Stand der Dinge 2013 ist: es gibt neue Behandlungsansätze, neue Medikamente und vor allen Dingen gibt es in wissenschaftlichen Kreisen einen weltweiten Konsens. „Abstinenz ist nicht mehr das Ziel“ in der Behandlung von Alkoholismus [Mann K, 2012]. Hier ist der Paradigmenwandel längst eingeläutet. „Baclofen“ und „Selincro“ sind erste Medikamente die das Dogma „nie wieder Trinken“ brechen. Bitte berichten Sie auch darüber.

Vielen Dank

 

 

0 Kommentare zu “Stigmatisierung alkoholkranker Menschen in den Medien

  1. Die verlorene Ehre der Jenny Elvers-Elbertzhagen und die Hinterfotzigkeit der BILD-Zeitung
    Irgendjemand aus dem engsten Umfeld von Jenny Elvers-Elbertzhagen hätte die Schauspielerin nach ihrem peinlichen Auftritt in der NDR-Talkshow DAS!, dem mehrwöchigen Aufenthalt in einer Entziehungsklinik und der exklusiven Alkoholbeichte auf RTL warne…

  2. Ich denke, dass es wenig Sinn ergibt Menschen mit Alkoholismus zu sagen, dass sie aufgrund ihrer Krankheit schlechte Menschen sind, doch sollte die Thematik besonders im keinsten Fall ignoriert bzw. vernachlässigt werden. Wichtig ist es die betroffene Person auf ganz subtile Art und Weise die Schattenseite dieser Krankheit zu offenbaren.
    Im Fall Jenny Elvers kann ich nur sagen, dass mich die Leute krank machen, die darüber in den Medien urteilen, erst recht, wenn gar keine Hintergrundinformationen vorliegen und wahllos Vermutungen angestellt werden. Der einzige Vorteil ist hierbei, dass die Krankheit mehr in den Vordergrund gerückt wird und ihr wesentliche Aufmerksamkeit geschenkt wird. (Beispiel: Sat1)

  3. @ decordoba : ich freue mich für Dich, das dein Konsum kontrolliert stattfindet….—> ich hoffe,Du hast auch Seite 2 gelesen …EINEM ALKOHOLIKER BRAUCHT NICHT GESAGT WERDEN,DAS ES EINE GANZ SCHLIMME SACHE IST ! —> ER HAT FÜR DEN REST SEINES LEBENS DARAN ZU ARBEITEN !!!

  4. Es sollte den Leuten schon gesagt werden, dass Alkoholsucht eine ganz schlimme Sache ist.

    Den Alkoholentzug zahlt das erste mal die Krankenversicherung, und der Arbeitgeber hat manchmal auch noch ein Einsehen (ohne Kündigung).

    Ich habe schon gesehen, wie ein Akademiker (Dr. Dipl.Ing)mit gut 40 Jahren den Arbeitsplatz und die Familie deswegen verloren hat.

    Gewiss muss jeder die Entscheidung – mit oder ohne Alkohol – selber treffen – das nimmt ihm keiner ab.

    Ich selber habe auch jahrelang zu viel getrunken. Ich hatte keinen Rausch, aber durch mehrere Flasche Bier täglich ruiniert man seine Gesundheit. Das habe ich gemerkt, und trinke jetzt nur mehr ganz wenig Alk.

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