Während wir auf die Zulassung von Baclofen warten, sterben unsere Patienten

 

Dabei existiert bereits eine sehr wirksame Behandlung. Baclofen, im Jahr 1962 entdeckt, ist ein Muskelrelaxans. Der Wirkstoff ist dem Neurotransmitter GABA sehr ähnlich, den das Gehirn von Natur aus produziert. Baclofen setzt am Neurorezeptor GABA B an und wirkt sich regulierend auf die Produktion von Dopamin aus, dem hauptsächlichen Neurotransmitter des Belohnungssystems, wo möglicherweise die Herkunft der Sucht liegt.

 

Die Abhängigkeit von Alkohol wird also verschwinden, weil das Gleichgewicht dieses Systems wiederhergestellt wird. Diese medizinische Entdeckung von 2004 verdanken wir Olivier Ameisen, einem französischen Kardiologen, der selbst alkoholabhängig war (6 – 7 – 8). Dieser alte Wirkstoff stellt keinen wirtschaftlichen Wert dar, womit teilweise seine Schwierigkeiten erklärt werden können, sich durchzusetzen.

Studien zeigen eine dauerhafte Wirksamkeitsrate

Frankreich ist das Land, in dem die Verschreibungspraxis von Baclofen am weitesten gediehen ist, aber immer noch verkannt und totgeschwiegen wird. Seit 2008 folgen abschreckende Mitteilungen und Drohungen, verunglimpfende Leserbriefe, Standesärztliche Kommissionen einander. Man lässt das ganze Arsenal des Obskurantismus aufmarschieren, verstärkt durch Interessenkonflikte. Trotzdem verschreiben mehr als 10.000 Ärzte mit Mut und Humanismus diese Behandlung (9). Zwei Vereinigungen (Aubes und Baclofène) mit 12.000 Mitgliedern betreiben ehrenamtlich zwei Internet-Foren, wo Tag für Tag mehr als 300 Nachrichten und Ratschläge ausgetauscht werden, um eine qualitativ gute und patientennahe medizinische Betreuung zu fördern (10) zu fördern. Eine andere Vereinigung (Resab) wurde gegründet, um Ärzte auszubilden und die Erfolgsraten zu verbessern. Zwei doppelblinde, placebo-kontrollierte Studien sind im Gang, um neue wissenschaftliche Belege der Wirksamkeit zu erbringen. Die bereits veröffentlichten Studien zeigen eine nachhaltige Wirksamkeit von mindestens 50 %, mit einer in diesem Bereich noch nie zuvor gesehenen Qualität der Genesung (11-12).

 

Tausende von Alkoholkranken geniessen endlich wieder ein freies Leben, Gesundheit und die Freude an einem Glas Wein wie jedermann. Ebenso viele berufliche und soziale Wiedereingliederungen werden möglich, gleichermassen viele Familien und nahestehende Personen finden zurück zu Gelassenheit und Vertrauen in die Zukunft. Soziale Kosten entfallen, der Staat wird entlastet.

Eine befristete Empfehlung, die auf sich warten lässt

 

Professor Maraninchi, Generaldirektor der Nationalen Behörde für Arzneimittelsicherheit (ANSM), hat es begriffen: Er verkündete am 3. Juni 2013 im Hospital Cochin, anlässlich eines Treffens von Ärzten, Patienten und in Gegenwart von Prof. Olivier Ameisen die bevorstehende temporäre Empfehlung (RTU) für die High Dose Behandlung der Alkoholkrankheit mit Baclofen. Seitdem warten wir. Geplant für Spätsommer 2013, wurde die RTU bis zum Herbst verschoben, dann auf den folgenden Januar und zuletzt weiter ins erste Quartal dieses Jahres. Der Entwurf mit einer Dosierungsbegrenzung kann bei rund einem Drittel der Patienten, die höhere Dosen benötigen, ein Therapieversagen verursachen. Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen werden nicht das Recht auf Behandlung haben, sie werden einmal mehr Opfer unwürdiger Diskriminierung werden.

 

Die gewonnenen Informationen über Nebenwirkungen sollen zentral gesammelt und verarbeitet werden, eine Stellungnahme der zuständigen CNIL steht noch immer aus. Welche neuen Hindernisse wird unsere Bürokratie noch auffahren, um weitere Verzögerungen der RTU zu rechtfertigen?

Frankreich, schuldig der unterlassenen Hilfeleistung an gefährdeten Personen

 

Eine Behandlungsform des Alkoholismus existiert und hat sich unter Beweis gestellt. Sie denjenigen, die sie brauchen, deren Leben jetzt in Gefahr ist, nicht leicht zugänglich zu machen, bedeutet, sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig zu machen und dieses humanitäre Drama gutzuheissen. Wird Frankreich das Land der Menschenrechte sein, in dem das Recht auf Heilung vom Alkoholismus verweigert wird? Die Frage richtet sich auch an die Gesundheitsministerin, denn heute haben mehr als zwei Mio. Abhängige keine andere Perspektive als ein Leben mit dem Leiden oder einen vorzeitigen Tod.

 

Dabei stellt diese gewaltige Entdeckung eine wichtige medizinische Revolution dar. Wie in anderen Bereichen ist Frankreich auch in der medizinischen Innovation führend, und von gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritten kann die ganze Welt profitieren.

 

Die ANSM postuliert als eigene Mission ?allen Patienten gleichwertig Zugang zu Innovationen anzubieten?. Die verantwortungsvolle Verpflichtung des Prof. Maraninchi muss umgehend eingehalten werden, ohne restriktive Beschränkung der Dosis (die entgegen den aktuellen, wissenschaftlich belegten Dosierungen stehen) und ebenso ohne Ausschluss von Patientenkategorien oder Ärztegruppen.

 

Hunderttausende von Patienten mit Alkoholabhängigkeit und tausende von Ärzten warten nur noch auf diese Gültigkeitserklärung. Seit dem 3. Juni 2013 hat der Alkohol mehr als 30.000 Menschen getötet. Wie viele braucht es noch, bis die Staatsorgane sich entschliessen, zu handeln?

 

 

Liste der Unterzeichner: 

 

Dr Renaud de Beaurepaire, Psychiatre, neurobiologiste, chef de service à l’hôpital Paul Guirard ? Villejuif

Mme Sibel Bilal-de La Selle, TA Santé Services, Directrice

Pr Jacques-Louis Binet, Secrétaire perpétuel honoraire de l’Académie nationale de Médecine

M. Samuel Blaise, Entrepreneur

M. Yves Brasey, Vice-Président de l’association Baclofène

Pr François Chast, Chef du service de pharmacie, pharmacologie et toxicologie de l’hôtel-Dieu ? Paris

Pr Roland Dardennes, Professeur de Psychiatrie, Université Paris Descartes ? Paris

Pr Bernard Debré, Député, médecin urologue, ancien membre du Comité Consultatif National d’Ethique

Dr Pascal Gache, Médecin alcoologue, addictologue, Président de l’association Aubes

Pr Bernard Granger, Professeur de psychiatrie, Chef de l’unité de psychiatrie de l’hôpital Tarnier ? Paris

Mme Sylvie Imbert, Présidente de l’association Baclofène

Pr Philippe Jaury, Médecin généraliste, addictologue, Université Paris Descartes ? Paris

Dr Bernard Joussaume, Médecin généraliste, co-fondateur de l’association Aubes

Dr Patrick de La Selle, Médecin généraliste, Président de l’association Resab

Pr Christophe Lançon, Psychiatre à l’hôpital Sainte-Marguerite ? Marseille

Pr Jean-Roger Le Gall, Membre de l’Academie nationale de Médecine

M. Pierre Leclerc, Coordinateur du Collectif « 7 ans, 100 000 morts »

Pr Thierry Poynard, Médecin, chef du service d’hépato-gastro-entérologie à l’hôpital de la Pitié-Salpêtrière ? Paris

Dr Annie Rapp, Omnipraticien, psychotherapeute ? Paris

Pr Didier Sicard, Médecin, Président d’honneur du Comité Consultatif National d’Ethique

Pr Florence Thibaut, Psychiatre, Hôpital Tarnier ? Paris

 

1 Com-Ruelle L., Dourgnon P., Jusot F., Lengagne P. « Prévalence et facteurs socio-économiques associés aux problèmes d’alcool en population générale en France » IRDES Rapport n° 541 (biblio n° 1703) ? Avril 2008

2 Guérin S, Laplanche A, Dunant A, Hill C. Alcohol-attributable mortality in France. Eur J Public Health 2013;23(4):588-93.
3 Fenoglio P., Parel V.,Kopp P., « Le coût social de l’alcool, du tabac et des drogues illicites en France, 2000 » Actualisation 2006 ? Actualité et dossiers en santé publique, mars 2008.
4 Kopp P., Fenoglio P., « Coûts et bénéfices économiques des drogues » OFDT Focus juin 2004 
5 La Tribune-Le Panorama du médecin, 10 septembre 2007
6 Ameisen, O. (2005). Complete and pro-longed suppression of symptoms and consequences of alcohol-dependence using high dose baclofen : a self-case-report of a physician. Alcohol Alcohol. 40,147?150.
7 Ameisen, O. (2008). The End of My Addiction. New York : S Crichton Books. 
8 Ameisen, O., and de Beaurepaire, R. (2010). Suppression de la dépendance à l’alcool et de la consommation d’alcool par le baclofène à haute dose : un essai en ouvert. Ann. Med. Psychol. (Paris) 168, 159?162.
9 Weill A, Chaignot C, Ricordeau P, Alla F, Allemand H. « Baclofène, données du SNIIRAM, point de vue de la CNAMTS » ? 03 juin 2013 ? Hôpital Cochin, Paris.
10 Imbert S, Association Baclofène. « ANSM ? Commission d’évaluation des bénéfices/risques des produits de santé » Audition publique du 30 janvier 2013.
11 de Beaurepaire R., Suppression of alcohol dependence using baclofène: a 2 year observational study of 100 patients, Frontiers in Psychiatry, 012, 3, 1-7.
12 Rigal L. et coll., Abstinence and « low-risk » consumption 1 year after the initiation of high-dose baclofen : a retrospective study among « high-risk drinkers, Alcohol & Alcoholism, 2012, 47, 439-442.

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