Stand des Wissens 1977 – und heute?

SpiegelLiest man diesen Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1977 zum Thema Alkoholismus, hat man abgesehen von den Namen der genannten Suchtspezialisten das Gefühl, es handelt sich um einen aktuellen Artikel von heute.

Gut, die Zahl der Kliniken die sich auf Alkoholismus-Reha spezialisiert hat ist explodiert. Die bereits damals geschätzten 30 Milliarden DM volkswirtschaftliche Kosten sind heute in EURO angegeben, also gleichgeblieben und die Zahl der Abhängigen (1,9 Mio) ist auch in etwa gleich geblieben. Ein paar Statistiken hin- oder hergeschönt, im Grunde alles statisch geblieben.

Das Abstinenzparadigma ist unverändert im Umlauf auch wenn Karl Mann seit 2000 sagt: Abstinenz ist nicht mehr das Ziel. Alkoholikern begegnet man innerhalb der Gesellschaft mit der unverändert gleichgebliebenen Verachtung und man fragt sich schon, was hat eigentlich die Suchtforschung in 35 Jahren gemacht?

Heute das erste Glas stehen lassen? Auch da hat sich nichts geändert, bzw. hätte sich nichts geändert wenn nicht Baclofen aufgetaucht wäre. 30 Jahre Stillstand und ergebnislose Forschung bis ein einzelner Mann, Arzt, Alkoholiker, diesen Zustand nicht als Gott gegeben hinnehmen wollte.

Olivier Ameisen hätte es für sich behalten können und gut.
Dass er es an die große Glocke gehängt hat, ein Buch geschrieben hat, ist sein eigentliches Verdienst – man sollte ihm dafür dankbar sein.

17 Kommentare zu “Stand des Wissens 1977 – und heute?

  1. Liebe Rosie,

    1. Literatur findest Du jede Menge im assozierten Forum.

    2. Karl Mann sagte 2010, Abstinenz ist nicht Ziel einer Erstbehandlung. 2012 sagte er: SHIFTING THE PARADIGM: REDUCTION OF ALCOHOL CONSUMPTION IN ALCOHOL DEPENDENT PATIENTS – A RANDOMISED, DOUBLE-BLIND, PLACEBO-CONTROLLED STUDY OF NALMEFENE, AS-NEEDED USE

    K. Mann1, A. Bladström2, L. Torup2, A. Gual3, W. van den Brink4

    1Department of Addictive Behavior and Addiction Medicine, Central Institute of Mental Health, University of Heidelberg, Mannheim, Germany
    2H. Lundbeck A/S, Valby, Denmark
    3Department of Psychiatry, Alcohol Unit, Institute of Neurosciences, Hospital Clinic, Barcelona, Spain
    4Department of Psychiatry, Amsterdam Institute for Addiction Research, University of Amsterdam, Amsterdam, The Netherlands

    Introduction: Current treatments for alcohol dependence, aiming to keep patients abstinent, have shown limited treatment and success rates. Reduction of alcohol consumption is increasingly recognised as a valid and needed option that should be an integrated part of the management of alcohol-dependent patients.

    Objectives: The main objective was to evaluate the efficacy of as-needed use of nalmefene 18mg (base) versus placebo in reducing the monthly number of heavy drinking days (HDDs) and the monthly total alcohol consumption (TAC; g/day) over 24 weeks in alcohol-dependent patients.

    Methods: Drinking measures were derived from daily drinking estimates collected with the Timeline Followback method. Safety and additional efficacy data were collected throughout the study.

    Results: A total of 604 patients (mean age 51.6±9.6 years, 67% men) were randomised (298 to placebo and 306 to nalmefene). There was a significantly superior effect (mixed model repeated measures) of nalmefene compared to placebo in reducing the number of HDDs (-2.3±0.8 [95% CI -3.8; -0.8]; p=0.002) and TAC (-11.0±3.0 [95% CI -16.8; -5.1]; p< 0.001). Improvements in Clinical Global Impression - Global Improvement and Severity of Illness scores and reductions in liver enzymes gamma‑glutamyltransferase and alanine aminotransferase from baseline were statistically significantly larger in the nalmefene group compared to placebo at week 24. Adverse events (generally transient; most were mild or moderate) and withdrawals were more common with nalmefene than placebo. Conclusions: Nalmefene was efficacious in reducing alcohol consumption. Nalmefene was safe and well tolerated and dosing on an as-needed basis was feasible.
    Author Keywords: alcohol dependence, reduction, nalmefene, randomised controlled trial

  2. Liebes Baclofen-Team,
    ich bin selber alkoholkranke Ärztin, seit mehr als 10 Jahren Dank Baclofen ohne Probleme („craving=was ist das? Kenne ich nicht mehr!“) trocken und glücklich. Habe schon vielen Patienten damit erfolgreich geholfen (natürlich in Zusammenarbeit mit psychosozialer Therapie). Jetzt habe ich zwei Fragen nach Literatur:

    1.: Baclofen ist ja auch deutlich wirksam bei Angst/Panikerkrankungen; ich möchte dieses gerne einem Kollegen/Psychiater erklären; finde ich irgendwo Literatur speziell dafür?

    2.: Prof. Karl Mann sagt seit ca. 2000, dass Abstinenz nicht immer das Ziel sei. Gibt es von ihm dazu eine Veröffentlichung?

    Ein ganz großes DANKE für dieses Forum !

    Herzliche Grüße von Rosie

  3. Sehr scharfsinnig. An Krankheiten ändert sich höchst selten etwas, wohl aber an den Behandlungsmöglichkeiten. Schizophrenie galt bis vor 20 Jahren als unheilbar, heute gibt es eine ganze Reihe von Behandlungsmöglichkeiten, die es den Erkrankten ermöglichen, ein weitgehend „normales“ Leben zu führen. 30% der Erkrankten bleiben nach medikamentöser Behandlung lebenslang symptomfrei. Selbst bei HIV wurden in kurzer Zeit erstaunliche Fortschritte erzielt bis hin zu ersten signifikant wirksamen Impfstoffen.

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