Schweizer Arzt verlangt die Zulassung von Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus in der Schweiz

eine zentrale Herausforderung der öffentlichen Gesundheit, aber bis heute existiert keine tatsächlich wirksame Behandlung.“

 

Nun zeigen aber gemäss Gache die ersten Studien, dass die Erfolgsrate von Baclofen zwischen 50 und 80% pendelt (siehe Box). Er selbst hat seit 2006 rund 350 Patienten mit Baclofen behandelt. Gache hebt jedoch mehrere Nachteile hervor, insbesondere die systematische Nichterstattung der Medikamentenkosten und das Risiko eventueller juristischer Folgen für den Arzt.

 

 

Wissenschaftliche Studien im Gange

Wie Pascal Gache in seinem offenen Brief erwähnt, sind zwei randomisierte, doppelblinde Studien im Gange und werden ihre Ergebnisse im Herbst 2014 liefern.

 

Seit 2008 haben nach Schätzungen der französischen Sozialversicherungsanstalt über 150.000 Patienten Baclofen eingenommen, um ihre Alkoholabhängigkeit zu behandeln,  schreibt Dr. Gache und fügt die Ergebnisse von Beobachtungsstudien hinzu. Gemäss diesen bewegt sich die Erfolgsrate zwischen 50 und 80 %.

 

Machtlose Swissmedic

„Wir haben zwei Marktzulassungen in der Indikation Alkoholismus, die sehr gute Medikamente sind. Wir können nicht mehr tun, es ist am Hersteller, etwas zu unternehmen“, meint Catherine Manigley, Verantwortliche der Abteilung Medikamentenmarktkontrolle der Swissmedic.

 

Novartis als Hersteller von Baclofen beabsichtigt nicht, bei der Swissmedic eine Ausweitung der Anwendung zu beantragen, da das Medikament nicht mehr patentgeschützt ist.

 

„Ärzte haben das Recht, ein Medikament zu verschreiben, das von der Swissmedic nicht zugelassen ist, sie übernehmen aber damit die Verantwortung für die Therapie mit diesem Mittel“, erklärt Catherine Manigley zusätzlich.

 

Dr. Pascal Gache’s Brief an Swissmedic (Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel):

Dr. Pascal Gache

Swissmedic

Hallerstrasse 7

Postfach

3000 Bern 9

 

 

RCC: K2387.25

 

Genf, 25. März 2014

 

 

Betrifft: Antrag auf Anerkennung von Baclofen in der Behandlung der Alkholabhängigkeit

 

 

Sehr geehrter Herr Direktor

 

ich erlaube mir, Ihre Aufmerksamkeit auf die Entscheidung hinsichtlich der Verschreibung von Baclofen in der Behandlung von Alkoholproblemen zu lenken, die kürzlich von Ihrem Pendant in Frankreich, der Agence Nationale de Sécurité du Médicament (ANSM) getroffen wurde.

 

http://ansm.sante.fr/Activites/Recommandations-Temporaires-d-Utilisation-RTU/RTU-Baclofene/%28offset/1

 

Diese RTU konkretisiert die Anerkennung der Wirksamkeit von Baclofen in den oben erwähnten Indikationen. In der Tat wurde seit 2008 in Frankreich, Belgien, in Deutschland und ebenso der Schweiz (Romandie und Deutschschweiz) eine breite Bewegung zugunsten der Anerkennung von Baclofen in der Behandlung von Alkoholproblemen ins Leben gerufen. Auch in anderen Ländern wurde kürzlich damit begonnen, das Medikament in dieser Indikation zu verschreiben (z.B. Portugal).

 

Diese Bewegung nahm ihren Anfang mit dem Kardiologen Professor Olivier Ameisen, der Baclofen an sich selbst testete, weil er an einer Alkoholabhängigkeit litt. Die Selbstverschreibung von Baclofen in hoher Dosierung erlaubte es ihm, sich von dem unwiderstehlichen Drang zu trinken (Craving) zu befreien und dem Alkohol gegenüber gleichgültig zu werden. Er hatte zuvor alle verfügbaren Behandlungsweisen durchlaufen, in den USA, wo er bis 2000 gelebt hatte, ebenso wie in Frankreich, wohin er darauf zurückkehrte. Die Sécurité Sociale français schätzt, dass seit 2008 mehr als 150 000 Patienten ihr Alkoholproblem mit Baclofen behandeln. Die Resultate der Beobachtungsstudien sind mit Erfolgsraten zwischen 50 und 80 % sehr ermutigend. Zwei randomisierte, doppelblind kontrollierte Studien sind im Gange und werden ihre Ergebnisse im Herbst 2014 liefern.

 

Ausserhalb von Frankreich ist die Verschreibung von Baclofen in der Behandlung des Alkoholismus nirgends offiziell anerkannt und Ärzte, die es in dieser Indikation anwenden, tun es auf eigenes Risiko und in eigener Verantwortung. In Anbetracht der vielversprechenden Resultate der Baclofen-Behandlung scheint es uns gerechtfertigt, dass Swissmedic den französischen Entscheid bis zur Bekanntgabe der definitiven Ergebnisse der randomisierten Studien übernimmt.

Diese offizielle Anerkennung würde Tausenden von Patienten den einfachen Zugang zu dieser Behandlung mit der Sicherheit der Rückerstattung durch die Krankenkasse ermöglichen, was aktuell nicht der Fall ist, da mehrere Kassen in dieser off-label Indikation die Zahlung verweigern. Sie wissen, Herr Direktor, dass der exzessive Alkoholkonsum eine grosse Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt und hinter Tabak die zweithäufigste Ursache für vorzeitige Mortalität ist. Bis zum heutigen Tag existiert keine reell wirksame Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Die Patienten, auch die höchst motivierten, werden sehr häufig rückfällig und viele sterben an dieser Erkrankung.

Baclofen sorgt für echte Hoffnung bei zahlreichen Kranken, die vergeblich versuchen, dieser Abhängigkeit zu entrinnen. Eine offizielle Anerkennung analog dem französischen Modus würde nicht nur von den Patienten und ihren Familien mit Zustimmung begrüsst, sondern auch von den Berufsleuten des Gesundheitswesens, die auf eine wirksame Behandlungsmöglichkeit geradezu warten. Wir glauben weder naiv, dass Baclofen jeden heilen wird, noch dass es mit Baclofen allein getan ist. Doch es wird durch Erweiterung der Palette verfügbarer Optionen die bereits vorhandenen therapeutischen Hilfsmittel ergänzen.

 

Für weitere notwendige Informationen stehe ich Ihnen jederzeit gern zur Verfügung und grüsse Sie freundlich.

 

 

Dr. Pascal Gache

 

0 Kommentare zu “Schweizer Arzt verlangt die Zulassung von Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus in der Schweiz

  1. Es wäre an der Zeit, dass auch in Deutschland ein Mediziner den Mut findet, eine solche Initiative zu starten. Die Anerkennung und der Dank vieler Hunderttausend Alkoholabhängiger und ihrer Angehörigen wären ihm gewiss.
    Dr. Werner Bernlöhr, 66538 Neunkirchen

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